Für einen Komponisten, der mit seiner Arbeit den Wohlstand seiner Familie sichern musste, war Giuseppe Verdis Bereitschaft, sich mit der Zensur seiner Zeit anzulegen, auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich selbst. Doch Verdi konnte keine gute Musik schreiben, wenn er nicht selbst von der Geschichte bewegt wurde, die es zu erzählen galt.
La Traviata ist vielleicht seine kühnste Oper überhaupt. Die Anforderungen der Behörden, die Handlung solle ein Jahrhundert in die Vergangenheit vorverlegt werden, um den vornehmen Geschmack zu schützen, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verdi die Vorurteile der Gesellschaft seiner eigenen Zeit bloßstellte.
Violetta geht ihren Weg in der Welt als Kurtisane, verfällt aber einem jungen Edelmann, Alfredo Germont. Alfredos Vater, Giorgio, macht den Fehler, sie aufgrund ihres Berufes zu beurteilen und nicht nach ihrem Charakter. Als sie sich von Alfredo trennt, geht es ihr nicht um ihr eigenes Wohl, sondern um das Ansehen der Familie ihres Liebhabers.
Uraufgeführt am 6. März 1853 in Venedig am Gran Teatro La Fenice, und nun zurückkehrend an die Wiener Staatsoper, bewegt La Traviata auch das heutige Publikum, da ihre Geschichte universell ist. Solange wir unsere Meinungen auf der Grundlage des ersten Eindrucks bilden, wird La Traviata relevant bleiben, in welchem Zeitalter auch immer sie spielt.
Schließlich gibt es noch die Musik. La Traviata stellt den Höhepunkt der mittleren Periode von Verdis Laufbahn dar, den Zeitpunkt, als er genug Selbstvertrauen besaß, um die Konventionen der italienischen Opernform völlig aufzugeben. In La Traviata dient sein Genie nicht nur dem Fortlauf der Erzählung, sondern auch um die Entwicklung seiner Figuren mit Melodien ihrer intimsten Gefühle abzustimmen.